Vielleicht gibt es auch in deinem Leben einen Moment, der alles verändert hat. Das kann ein schöner Moment sein: Du lernst einen Menschen kennen und es trifft dich wie ein Blitz oder du führst ein tief gehendes Gespräch und dein Gegenüber fragt dich irgendwann: “Bist du glücklich?”. Oder es ist ein erschütternder Moment: Wenn dich ein geliebter Mensch verlässt oder du einen Unfall hast, der dir bewusst macht wie schnell alles vorbei sein kann. Bei mir gab es so einen Moment und den möchte ich heute mit dir teilen.
Ich habe vor ein paar Jahren Paragleiten gelernt. Während viele Menschen glauben das man dafür furchtlos sein muss, habe ich mittlerweile verstanden, dass es wie alles im Leben ist: Du fängst klein an. Du stellt dich auf eine flache Wiese und ziehst den Schirm auf. Deine Füße bleiben dabei am Boden. Dann gehst du auf eine abschüssige Wiese und läufst los. Der Schirm ist in der Luft, aber deine Füße bleiben am Boden. Du stellst dich also auf ein höheres Wiesenstück und läufst wieder los, dieses Mal verlassen deine Füße für einen kurzen Moment den Boden. Du fliegst. Aus der abschüssigen Wiese wird ein Hügel und aus dem Hügel ein Berg und aus ein paar Sekunden Flug werden Stunden in der Luft.
Auch vor meinem ersten Höhenflug habe ich Stunden auf einer Wiese verbracht, bis ich mich bereit gefühlt habe den nächsten Schritt zu wagen. Und ehrlicherweise war ich dann auch nicht wirklich bereit. Wann ist man schon je wirklich bereit für etwas? Aber ich stand dann eben da oben und wusste jetzt liegt es an mir. Mein Fluglehrer hat mir das GO gegeben und ich bin los gelaufen. Nach ein paar Schritten bin ich abgehoben und geflogen. Ein Wahnsinns Gefühl.
Der Start war zwar nicht sauber, aber ich war in der Luft. Und mein Fluglehrer gab mir über ein Walki Talki Anweisungen, damit bei den ersten Metern nichts schief ging. Ich flog also über eine Wiese und dann über einen Wald, wo ich Richtung Landeplatz steuerte und für meinen Fluglehrer außer Sichtweite war. Ich war auf mich gestellt und bemerkte bald wie nahe die Bäume waren. Ich hatte irgendwie nach dem Start nicht genug Höhe gemacht und der Abstand zwischen den Bäumen wurde immer kleiner. Vor mir sah ich zwei höhere Baumwipfel auf die ich zusteuerte. Ich hätte zu diesem Zeitpunkt zumindest versuchen müssen eine Kurve einzuleiten. Aber ich flog direkt in den ersten Wipfel hinein.
Wie ich später gelernt habe ist eine Baumlandung für einen Paragleiter nicht unbedingt gefährlich. Man muss vorher nur den Schirm bremsen und versuchen sich am Baum irgendwo festzuhalten, damit man nicht unglücklich in die Tiefe stürzt. Das wusste ich zu diesem Zeitpunkt aber nicht, deshalb flog ich den Schirm mit voller Geschwindigkeit durch den ersten Wipfel. Ich kam durch - ich war noch in der Luft. Dann kam der nächste Baum und übernahm mich. Ich fiel durch die Baumkrone, prallte an einigen Ästen ab und dann kam der freie Fall. In Filmen sieht man oft, dass in so einer Situation das Leben noch einmal an einen vorbei zieht, aber ich habe mich zu diesem Zeitpunkt nur gefragt wie weh das tun würde, wenn ich am Boden ankam.
Ich kam mit dem Rücken zuerst auf und der Aufprall nahm mir kurz den Atem. Der mit Luft gefüllte Protektor an meinem Rücken sank zusammen und aus meinem Walki Talki kam die Stimme meines Fluglehrers:”Daniela, du bist die Pilotin.” Er hatte meinen Absturz nicht gesehen und wollte mir für den restlichen Flug Mut machen. Was für eine Ironie. Ich dachte nur: “Ja, das ist die Geschichte meines Lebens.” Ich habe das Steuer in der Hand, aber anstatt zu lenken lasse ich mich von den Umständen treiben.
Ich hatte einen großen Schutzengel oder einfach nur Glück an diesem Tag: Der Schirm und die Äste haben meinen Fall gebremst und das Gelände war weder felsig, noch lagen größere Äste herum. Es war einfach nur weicher Waldboden und ich kam mit ein paar Blutergüssen und blauen Flecken davon. Und auch wenn sich äußerlich nichts verändert hatte, im Inneren war mir eines klar geworden: Egal was du im Leben willst, du musst dafür aktiv Entscheidungen treffen. Denn du bist der Pilot.